Rostock, den 03.08.2024 - 21:00 Uhr
Wir trauern um den Begründer unserer Gemeinschaft - den Vater der Zeesboote - Ekkehard Rammin, der uns vor wenigen Tagen im Alter von 87 Jahren verlassen hat.
Im Register der Klassenvereinigung der Zeesboote sind im Jahr 2024 über 100 Bootsrümpfe erfasst. Mit Ekkehard Rammin ist nun der Mensch von uns gegangen, der diesem Bootstyp eine neue Bestimmung gegeben und ihn damit vor dem Verfall gerettet hat.
Als Ekkehard kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges geboren wurde, war die Segelfischerei mit dem Zeesnetz bereits im Niedergang begriffen. Aus der Not heraus, sollte sie nach Kriegsende in einigen Dörfern der Boddenkette aber noch einmal eine Renaissance erleben, die für etwa 30 Jahre anhielt. Ekkehard Rammin wurde am 15.06.1937 in Gut Glück bei Barth geboren. Im Jahr 1952 verlegten die Rammins den Wohnsitz in das nur wenige Kilometer entfernte Boddendorf Bodstedt.
Dass die Familie direkt am Hafen wohnte, war ein Grund dafür, dass sich Ekki schon früh zu den Fischern hingezogen fühlte. Mit der Fischerei war damals automatisch auch der Bootsbau verbunden, denn Boote wurden außerhalb der Städte oft von Fischern und Bootsbauern auf Bauplätzen direkt am Wasser gezimmert. So auch das Zeesboot PRU. 10 des Pruchtener Fischers Erich Grählert, welches dieser zusammen mit seinem Bruder Hugo, einem Bootsbauer, aufgebaut hat. Den Bootsbauern immer über die Schulter schauend, wurde der junge Ekkehard Rammin so vom Bootsbauvirus befallen, nicht ahnend, dass dieses Zeesboot einmal seine spätere NORDSTERN werden sollte. Auch den Driften der Zeesenfischer mit ihren markanten Booten durfte er seit seiner Kindheit beiwohnen. Diese Zeit, die eigentümliche Art und Weise unter Segeln zu fischen, sowie die Läuschen (Geschichten) der Fischer, haben sein Leben geprägt.
Sein Traumberuf sollte Ekkehard aber erst sehr viel später vergönnt sein. Anhand eines fehlenden Ausbildungsplatzes, erlernte er zunächst in der Barther Klempnerei Tesch den Beruf des Rohrschlossers. Im Jahr 1956 konnte er dann in die ehemalige Sanitz-Werft wechseln, die mittlerweile in eine volkseigene Reparaturwerft umgewandelt worden war.
1960 gründete Ekkehard Rammin die Sektion Segeln der Betriebssportgemeinschaft Lok, woraus später der heutige Verein Traditionshafen Bodstedt e. V. entstanden ist.
In dieser Zeit manifestierte sich bei ihm die Idee, die immer weiter schrumpfende Zahl der Zeesenfischer für eine Wettfahrt mit ihren Booten zu begeistern. Bei den Fischern war es Tradition, während der Rückkehr von den Fangplätzen im Großen Jasmunder Bodden, von Lauterbach auf Rügen oder Stralsund, sich gegenseitig unter Segeln zu messen. Jeder Fischer wollte das beste und schnellste Boot haben.
Diesen Tick der Fischer im Hinterkopf, fuhr Ekki mit seinem Motorrad um den Bodden, um die verbliebenen Zeesenfischer für seine Idee zu gewinnen. Im Jahr 1965 war es schließlich soweit. Die erste Bodstedter Zeesbootregatta war ins Leben gerufen. Ekkehard musste, wie zuvor versprochen, auch prompt für alle Schäden aufkommen, die durch starke Böen während der Regatta entstanden waren.
Aber nichts desto trotz. Ekkis Beharrlichkeit sollte ein Glücksfall für den Erhalt der Zeesboote sein. Diese erstmals im Jahr 1965 gestartete Regatta bekam von Jahr zu Jahr mehr Teilnehmer und Besucher und hatte bereits zu DDR Zeiten Volksfestcharakter. Immer mehr der alten Fischersegler wurden von Sportseglern übernommen und so vor dem Verfall bewahrt. Ekkehard stand den neuen Boosteignern mit Rat und Tat zu Seite. Noch heute sind ihm alte Hasen, wie Peter Eymael, Helmut Risch und Achim Tamm dafür dankbar!
Wegen der zunehmenden Zahl der Sport-Zeesboote sorgte Rammin dafür, dass im Bund Deutscher Segler (BDS) für die Zeesboote eine eigene Bootsklasse geschaffen wurde. Das Erkennungszeichen für die ins Klassenregister aufgenommenen Fahrzeuge ist ihre FZ-Kennung im Großsegel. Ohne die damaligen Bemühungen Ekkehard Rammins, würden die meisten der heute noch erhaltenen Bootsrümpfe nicht mehr existieren. Mangels Verwendungszweck wären sie bereits lange abgewrackt worden. Auf dem Vereinsgelände im Bodstedter Hafen wurde eine Slipbahn mit Motorwinde errichtet. Von hieraus konnten die Boote auf Loren umgesetzt, auf einem Seitengleis abgestellt werden und ins Winterlager gehen. Ekki hatte als Klassenobmann eine starke Gemeinschaft um sich gebildet.
Aus eigener Erfahrung wusste Ekkehard Rammin, dass zum Erhalt solch eines großen Holzbootes der Einsatz der ganzen Familie notwendig ist. Darum wurde in der Bauvorschrift der Zeesbootklasse die Möglichkeit geschaffen, die Boote mit einem Kajütaufbau zu versehen. Diese Entwicklung ist heute noch bei Ekkehards eigenem Boot NORDSTERN zu sehen. So gab es etwas mehr Komfort an Bord, als ihn die Fischer einst besaßen und die Boote wurden familientüchtig. Wenn auch von Einigen kritisch gesehen, trug diese Entwicklung natürlich ebenfalls zum Erhalt der Boote bei. Die Bootsrümpfe und die Takelage, also das Gesamterscheinungsbild, blieb dabei erhalten. So konnte Ekkehard, mittlerweile mit Frau Inge und den Söhnen Dirk und Nils in den Bootsurlaub fahren und, so weit es zur DDR-Zeit möglich war, einen Großteil der Küste besegeln. So vergingen die Jahre. Immer am ersten Septemberwochenende fand die Große Bodstedter Zeesbootregatta statt, ein Muss für alle ernsthaften Zeesbootenthusiasten.
Nach der Wende gelang es Ekkehard sich mit der ehemaligen Werft der Fischereiproduktionsgenossenschaft (FPG) am Flüsschen Barthe selbstständig zu machen. Mit im Boot waren damals seine beiden Söhne. Bei Rammin & Söhne wurden nun die ersten Totalrekonstruktionen von Zeesbooten durchgeführt. Das alte Material war in die Jahre gekommen. Neue Vereinsmitglieder aus den alten Bundesländern hatten den finanziellen Hintergrund dafür, der eine willkommene Startgrundlage für die kleine Holzbootwerft bildete.
In dieser Zeit stellte Ekkehard Rammin auch den Kontakt nach Dänemark wieder her. Viele pommersche Fischer waren im 19. Jahrhundert dorthin ausgewandert und hatten so den Zeesboottyp nach Dänemark gebracht, wo er modifiziert und nachgebaut wurde. Es bestanden auch noch einige verwandtschaftliche Verhältnisse nach Vorpommern. Auf der kleinen dänischen Insel Fejø wird seitdem im August jeden Jahres eine gemeinsame Regatta gesegelt. Natürlich kamen die Dänen fortan auch zur Bodstedter Regatta.
Für seine Verdienste wurde Ekkehard Rammin 2017 in Stettin mit dem Kapitän-Kazimierz-Haska-Preis, einer hohen polnischen Ehrung für verdiente Segler, ausgezeichnet.
In den 2000er Jahren rückte im Verein die jüngere Generation nach. Der Traditionshafen Bodstedt e. V. wurde gegründet. Ekki behielt die Funktion des Klassenobmanns ehrenhalber inne. Als ich im Jahr 2005 die Internetseite www.Braune-Segel.de mit einem ausführlichen Bootsregister erstellte, hatte er natürlich auch ein Auge darauf. Ekkehard fand es gut, dass ein junger Mensch sich so intensiv für die Bootshistorien interessiert. Man musste immer etwas mehr Zeit einplanen, wenn er aus seinem schier endlosen Repertoire berichtete. Ich fühlte mich sofort von ihm adoptiert ;o
Es war in Ekkehards Sinn, dass sich ab jetzt Vereine, wie die neu gegründete Klassenvereinigung der Zeesboote und der Verein der Zeesener um die Ausrichtung der Zeesbootregatten oder um den Erhalt des Handwerks der traditionellen Zeesenfischerei kümmerten.
Im Jahr 2018 wurde die Wahrung und Nutzung der Zeesboote in der Mecklenburg-Vorpommerschen Boddenlandschaft in die bundesweite Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Der Grundstein hierfür wurde von Ekkehard Rammin im Jahr 1965 gelegt.
Nun begann für Ekkehard eine Zeit mit einer schweren Krankheit und weiteren körperlichen Einschränkungen. Erstaunlich war, dass er sich nie davon unterkriegen lassen und den ihm eigenen Humor behalten hat. Auf Nachfrage antwortete er immer: "Mir geht es gut". So sagte er es auch seiner Frau Inge, die mittlerweile selbst gesundheitlich beeinträchtigt war und die sich keine Sorgen um ihn machen sollte. Die Kraft für diese Zeit schöpfte Ekki unter anderen auch daraus, dass seine zweite Liebe, NORDSTERN, nur einen Steinwurf weit vom Wohngrundstück am Hafen entfernt lag. Praktisch in Sichtweite und mit dem Rollator oder Elektromobil schnell erreichbar. Hier werkelte Ekki vor sich hin, oder war auch nur so in Gedanken. Es gab immer Zeit für einen kleinen Plausch oder um ein paar Ratschläge einzuholen.
Ekkehards letzte großen Ziele waren die Teilnahme an der 60. Großen Bodstedter Zeesbootregatta - seinem Baby - Anfang September diesen Jahres und der bevorstehende 60. Hochzeitstag mit seiner Frau Inge. Beides sollte ihm nicht mehr vergönnt sein. Ekkehard Rammin verstarb am 25.07.2024 im Alter von 87 Jahren.
Farewell Ekki
Dein Name wird für immer und untrennbar mit den Zeesbooten verbunden sein!
Im Namen des Traditionshafen Bodstedt e. V., der Klassenvereinigung der Zeesboote und des Vereins der Zeesener
Uwe Grünberg
Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) hat sich, stellvertretend bei der Familie, für die zahlreichen, nicht unerheblichen Spenden im Namen von Ekkehard Rammin bedankt.
Quellen:
Abbildung 1: Foto Wittkowski (Zeesbootarchiv Hermann Winkler)
Bildpanorama 2: Fotos Dr. Wolfgang Dittrich (Zeesbootarchiv Hermann Winkler)
Bildpanorama 3: Fotos Hermann Winkler (Zeesbootarchiv Hermann Winkler)
Bildpanorama 4: Fotos Hermann Winkler (Zeesbootarchiv Hermann Winkler)
Abbildung 5: Foto Uwe Grünberg
Abbildung 6: Foto Timm Stütz
Abbildung 7: Foto Volker Stephan
Abbildung 8: Foto Volker Stephan
Abbildung 9: Druckerei Quint, Mit freundlicher Genehmigung Fam. Dirk Rammin