Newsblog-Archiv


Rostock, den 04.10.2021 - 16:00 Uhr


Bisher galt für FZ 110 "Fortuna" das mündlich überlieferte Baujahr 1910. Hier wurden auf der Bootswerft Jarling in Freest vier große Scherboote gebaut; eins davon bereits mit einem Motor.

Für das Jahr 1910 konnte ich, bis auf die Baunummer 86, bereits alle Einträge im Auftragsbuch eindeutig zuordnen. Also ging ich davon aus, dass es sich bei "Fortuna" um ein für den Freester Fischer Johann Kloock gebautes Scherboot handeln müsste. Zusammen mit Helmut Olszak, nahm ich einen Abgleich der im Auftragsbuch angegebenen Bootsabmessungen und der sonstigen technischen Angaben, mit dem Aufmaß der "Fortuna" vor. Dabei kam heraus, dass die mit nur knapp über 11 Fuß angegebene Breite nicht zum über 4 Meter breiten Bootsrumpf der "Fortuna" passte. Erste Zweifel kamen auf...

Nun bekam ich von Markus Röhrbein, der während seines Studiums an der Universtität Greifswald ein Volontariat am Deutschen Meeresmuseum Stralsund absolvierte und mittlerweile an der Organisation einer Ausstellung im neuen Fischerei- und Hafenmuseum Saßnitz mitarbeitet, eine wertvolle Information. Markus hatte die Baunummer 86 bereits einem anderen Boot zugeordnet und machte mich darauf aufmerksam, dass er beim Stadtarchiv Stralsund in einer Fischereiakte aus dem Jahr 1936 das Baujahr der "Fortuna" mit 1913 angegeben fand. Außerdem gäbe es im Jarlingschen Auftragsbuch für 1913 noch einen offenen, bislang nicht zuordenbaren Eintrag; nämlich die Baunummer 110.

Bild 1: Bootsliste aus einer Fischereiakte des Oberfischmeisters Stralsund von 1936

 
Aus der vom Stadtarchiv Stralsund bereitgestellten Kopie der Bootsliste geht für STR. 27 "Fortuna", unter Fischer R. Röber, tatsächlich das Baujahr 1913 hervor und auch der im Jahr 1923 erfolgte Einbau des ersten Motors.

Laut dem Auftragsbuch der Jarling-Werft handelt es sich bei der Baunummer 110 um ein von Richard Löper und Otto Mähl aus Kröslin in Auftrag gegebenes Scherboot.

Bild 2: Jarlingsches Auftragsbuch (Band I) - Eintrag für Baunummer 110 vom 03.03.1913


Um noch tiefgründigere Informationen zu erlangen, nahm ich Kontakt mit einer befreundeten Ahnenforscherin von der Insel Rügen auf. Gabi Neumann teilte mir mit dass des sich bei den in Frage kommenden Auftraggebern um den am 16.03.1884 in Freest geborenen Fischer Richard Carl Paul Löper und den am 14.10.1878 in Kröslin geborenen Müller Otto Paul Carl Mähl handelt. Wie kommt nun ein Müller dazu, den Auftrag für ein Fischerboot zu geben? Ganz einfach: Seine am 19.02.1886 in Kröslin geborene Schwester Selma Hulda Martha Mähl, heiratete am 06.12.1912 in Kröslin den besagten Richard Löper. Die beiden Auftraggeber waren also Schwager. Bereits am 03.03.1913 wurde das bei Jarling in Auftrag gegebene Scherboot abgeliefert. Der Bauauftrag dürfte also in Zusammenhang mit der Hochzeit gegeben worden sein, als Existenzgrundlage für die junge Familie. Der gelernte Müller Otto Mähl war Teilhaber oder sogar Mitfischer.

Bei dem Auszug aus dem Auftragsbuch könnte es sich also um die "Geburtsurkunde" der FORTUNA handeln. Ich finde, dass die Baunummer 110 auch besser zur heutigen Registriernummer FZ 110 passen würde, oder ;o)

 

Uwe Grünberg

 


Nachtrag vom 08.12.2021

Kurz nach Veröffentlichung dieses Beitrags, gab es schon wieder neue Erkenntnisse zu FORTUNA. In einer DSRK-Liste aus dem Jahr 1958, wird das Baujahr mit 1912 und die Bauwerft mit "Mülschott" Peenemünde angegeben. Die Angaben dürften von Fischer Kagelmacher persönlich stammen. "Mülschott" oder auch "Mollschott" ist umgangssprachlich und bezieht sich auf die Bootswerft von Friedrich Mollenschott in Peenemünde. Friedrich Mollenschott und Christian Jarling sollen lt. Rudolph den gleichen Lehrmeister (Friedrich Lüder) gehabt haben. Daher könnte FORTUNA auch für ein "Jarlingboot" gehalten werden. Die zur Flensburger Zeit angenommenen Bootsdaten (1910 - Bootswerft Jarling) sind wahrscheinlich pauschal, in Anlehnung an eine gutachterliche Stellungnahme von Rudolph, festgelegt worden, aber durch Quellen (z. B. Auftragsbuch Jarling, Fischmeisterlisten) nicht zu belegen. Der ehem. Bootseigner, Erwin Kagelmacher, hat es also besser gewußt, aber, aufgrund seiner überaus ruhigen und bescheidenen Art, nicht in Frage gestellt. Nun ist abzuwarten, ob die bislang am wahrscheinlichsten in Frage kommenden Angaben, dass FORTUNA (STR. 27 Robert Röber später STR. 6 Erwin Kagelmacher) im Jahr 1912/13 auf der Bootswerft Mollenschott in Peenmünde erbaut wurde, sich durch weitere Quellen bestätigen lassen. Dann würde es sich evtl. sogar um das letzte erhaltene Fahrzeug dieser Werft handeln, die im Jahr 1939 dem Bau der Heeresversuchsanstalt zum Opfer fiel. FORTUNA wäre demnach direkt für Fischer Robert Röber in Stralsund oder bereits für dessen Vater gebaut worden. Im Jahr 1928 taucht sie erstmals unter R. Röber im Almanach des Deutschen Seefischereivereins (DSV) auf.

Bild 3: DSRK Liste von 1958 - Siehe Eintrag 303

 


Quellenangaben:

Bild 1: Bootsliste aus Rep.21.20, Bd 2 2 - Mit freundlicher Genehmigung Stadtarchiv Stralsund
(Bei der Liste handelt es sich um eine handschriftliche Zuarbeit des Oberfischmeisters für den Deutschen Seefischereiverein (DSV). Im vom DSV unregelmäßig herausgegebenen Deutschen Seefischerei Almanach gibt es leider keine Angaben zu den Baujahren der einzelnen Fischereifahrzeuge)

Bild 2: Auftragsbuch der Bootswerft Jarling (Band I) Baunummer 110

Bild 3: Auszug DSRK Liste von 1958 (Vielen Dank an Alexander Jenak!)

Besucherstatistik

Seitenzugriffe 55

Heute 5

Gestern 84

Woche 319

Monat 1.260

Insgesamt 986.231

Aktuell sind 26 Gäste und keine Mitglieder online

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.