Rostock, den 22.06.2022 - 23:00 Uhr
Nach einer Flasche Rotwein ist der Nachruf für Erwin Peters fertig. Es fällt mir ziemlich schwer darüber zu schreiben, weil wir ihn im Laufe der letzten Jahre als Crewmitglied und Menschen sehr lieb gewonnen haben.
Erwin hat am 10.02.1933 als Hausgeburt im Elternhaus in der Dänischen Straße 7 das Licht der Welt erblickt. Er wurde in eine etablierte Warnemünder Fischer- und Seefahrerfamilie hinein geboren. Sein Vater, der Fischermeister Friedrich Franz Peters, führte auf all seinen Kuttern das Fischereikennzeichen WA 1 und lag ganz vorne am Alten Strom. Die „Nummer 1“ war für einen Peters Verpflichtung. Friedrich-Franz war ein tüchtiger Fischer, so dass er für die Familie das Haus in der Dänischen Str. bauen konnte, welches seinen Namenszug im Eingangsbereich noch heute voller Stolz trägt.
Die Zeit des Krieges verlief für die Familie Peters recht spektakulär. Durch den Verlust des Fischkutters, EMMI, war die Existenz in Gefahr. Der Kutter wurde im Frühjahr 1941 im Rahmen der „Operation Seelöwe“ eingezogen und sollte an der geplanten Invasion Englands teilnehmen. „Seelöwe“ fand nicht statt und „Schlackeremmi mit dem dicken Mors“ kam unter Karbolineum-Tarnanstrich zurück nach Warnemünde. Erwins Vater und sein Bruder Joachim (Ökelname „Jochen Darß“) mussten damit jetzt als Lotsen Dienst an einer Netz- und Minensperre in der Nähe des Gedser Feuerschiffes tun. Im November 1941 ging der Kutter während eines Sturms, nach einer Kollision am Marinelotsendampfer verloren und sank auf 24 m Tiefe, allerdings durch das Verschulden der Marine-Wachlotsen. Doch die Peters ließen sich nicht unterkriegen. Im Jahr 1948 wurde EMMI in einer spektakulären Aktion gehoben. Der Hebeverband wurde durch alle 23 Warnemünder Fischkutter eingeschleppt und EMMI wurde wieder in Fahrt gebracht. Der ehemalige Kutter der Peters tut noch heute seinen Dienst im vorpommerschen Freest.
Während Erwin Peters älterer Bruder, Joachim, wie sein Vater den Beruf des Fischers ergriff, erlernte Erwin einen Metallberuf und arbeitete später als Takler auf der Warnowwerft.
Erwin war sehr mit der Tradition seines Heimatortes Warnemünde verbunden. Dieses Engagement zeigte er auf vielfältige Art und Weise. Als im Jahr 2017 eine sogenannte „Warnemünder Jolle“ rekonstruiert werden sollte, beteiligte sich Erwin mit seiner Erfahrung. Sein Onkel, Paul Peters, besaß einst solch ein Fahrzeug und versenkte es zu seinem Ruhestand im Alten Strom. Diese Jolle wurde unter Medieninteresse mit Tauchern gesucht, konnte aber nicht mehr ausfindig gemacht werden. Trotzdem durfte Erwin den Stapellauf der Replik „Oll Stromer“ im Jahre 2020 noch miterleben.
Bereits 2012 sorgte Erwin Peters in der NDR-Dokumentation „Dein Feind und Helfer“ für Schlagzeilen, als die Rettungstat seines Vaters auf den Fernsehbildschirm gebracht wurde. Friedrich Franz Peters hatte am 11. April 1944 mit seinem Kutter KARLA das Besatzungsmitglied eines angeschossenen amerikanischen B17 Bombers gerettet, welches über der Ostsee abgesprungen war und bewusstlos in der Ostsee trieb. 67 Jahre später reiste Erwin Peters mit einem Kamerateam nach Kalifornien, um den 88-jährigen, ehemaligen Staff Sergant John Moses Russel, welcher durch die Initiative einer Rostocker Schule ausfindig gemacht werden konnte, aufzusuchen.
Erwin konnte in seiner überaus ruhigen Art viele solcher interessanten Geschichten erzählen. Außenstehende hätten wahrscheinlich geglaubt, dass es sich um „Seemanngarn“ handelt. Doch, wenn man Erwin näher kannte wusste man, es hatte alles „Hand und Fuß“. So segelte sein Onkel Paul als 13-jähriger Schiffsjunge auf dem bekannten Segler CLIO nach Australien. Eines Tages stieg er in Amerika ab, wo er 7 Jahre lang auf verschiedenen Werften an der Ostküste arbeitete. Als Paul Peters (Ökelname Bröding“) zurück nach Warnemünde kam, herrschte gerade Inflation. Doch er hatte harte Dollars in der Hand und konnte sich damit einen neuen Kutter bauen lassen. Später lebte er, zurückgezogen, in sehr einfachen Verhältnissen in der Alexandrinenstr. 5. Sein Seefahrtsbuch und die ledernen Seestiefel hat Erwin dem Heimatmuseum Warnemünde vermacht.
1979 konnte Erwin Peters einen Traum wahr machen. Er kaufte vom Warnemünder Fischer Valentin Laschke ein ehemaliges Zeesboot, welches er bereits im Jahr 1960 von der Insel Poel mit überführt hatte. Es stammte vom bekannten Kirchdorfer Original und Bootsbauer Rudolf Schabbelt. Seine ANNEGRET sollte ihn fortan - bis ins Jahr 2015 - begleiten, bis er sie in jüngere Hände abgeben sollte. Beeindruckend war immer wieder, wie Erwin auch noch im hohen Alter mit seiner Crew von Warnemünde aus die Küste entlang segelte, um in der Boddenkette von Fischland-Darß-Zingst – bis hin nach Wustrow und Dierhagen – an den Zeesbootregatten teilzunehmen. Bis 1999 immer mit dabei, Erwins Ehefrau Greti. In den Jahren danach, wurde er von seiner Gefährtin Evelyn begleitet.
Nach dem Verkauf der ANNEGRET, fanden Erwin und Evelyn auf der FORTUNA ein neues Zuhause und gingen damit der Zeesbootszene nicht verloren. Erwin und auch sein Sohn Uwe, waren uns mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung immer willkommen – zuletzt bei der Althäger Fischerregatta 2021.
Es sollte für Erwin das letzte Mal sein. Im Juni 2022 ist er im stolzen Alter von 89 Jahren friedlich eingeschlafen und träumt jetzt wahrscheinlich davon, dass seine ANNEGRET bald wieder in Fahrt kommen wird. Aber darauf kann er sich sicher verlassen…
Lebwohl Erwin – und zeige denen da oben wie ein Zeesboot gesegelt wird :o)
Im Namen der Klassenvereinigung der Zeesboote und der Crew der FORTUNA
Uwe Grünberg
Bild 1: Volker Stephan
Bild 2: Volker Stephan
Bild 3: Evelyn
Bild 4: Stefan Schorr
Bild 5: Stefan Schorr
Bild 6. Evelyn
Bild 7: Stefan Schorr